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Überblick über die konfessionelle Geschichte Bayerns

Artikel 4 des Grundgesetzes (der deutschen Verfassung) garantiert die freie Religionsausübung in Deutschland. In diesem Land, und insbesondere in Bayern, waren die Religionskriege zerstörerisch. Ein kurzer Rückblick auf den Weg, den wir zurückgelegt haben.

Über die heidnischen Glaubensvorstellungen und Kulte, die in den Gebieten, die heute Bayern bilden, vor der Ankunft der Römer und vor der Christianisierung praktiziert wurden, ist wenig bekannt. Die Region um die Donau war von keltischen Stämmen und germanischen Völkern bewohnt, daher kann man davon ausgehen, dass keltische und germanische Gottheiten von den ersten Menschen in Bayern verehrt wurden. Im 7. und 8. Jahrhundert zogen mehrere Missionare aus dem Westen (Irland, Schottland und Gebiete des heutigen Frankreichs) durch Bayern, um das Christentum zu verbreiten. Einige dieser Evangelisten prägten ihre Namen im kollektiven Bewusstsein und sind in vielen Ortsnamen zu finden: Emmeram, Corbinian, Rupert. Einer von ihnen, der in Irland geborene Kilian, wurde Bischof von Würzburg und ist heute als Apostel Frankens bekannt. Im Mittelalter gründeten die Bayern, wie im übrigen Westeuropa, Klöster und Abteien, die an der Entwicklung des Landes beteiligt waren: Die Mönche trugen insbesondere zur Rodung der Wälder bei. Einige dieser Abteien existieren noch heute: Ettal, Andechs und Weihenstephaner, die alle drei für ihr Bier bekannt sind. Im Mittelalter wurden auch gigantische Kathedralen gebaut. Das schönste Beispiel für einen mittelalterlichen Sakralbau findet sich in Regensburg, einer Stadt, die sich des eindrucksvollsten gotischen Doms in Bayern rühmen kann (siehe Dom Sankt-Peter).

Im Jahr 1517 löste Martin Luthers Veröffentlichung der 95 Thesen ein Erdbeben in Deutschland aus und die protestantische Reformation erreichte auch Bayern und Franken. Seit dieser Episode ist Deutschland tief und dauerhaft zwischen den Anhängern des Protestantismus (die im Norden die Mehrheit bilden) und den Gläubigen, die der römisch-katholischen Kirche treu geblieben sind (die im Süden die Mehrheit bilden), gespalten. Einige Fürsten konvertierten zum reformierten Glauben, andere entschieden sich dafür, dem zutiefst katholischen Kaiser treu zu bleiben. Diese Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten führten zu zahlreichen Konflikten und die Religionskriege waren in Deutschland verheerend. 1555 wurden die Feindseligkeiten zwischen den lutherischen und den katholischen Staaten im Heiligen Römischen Reich durch einen Kompromiss vorübergehend ausgesetzt: den Frieden von Augsburg. Dieser Kompromiss beruhte auf dem Grundsatz " cujus regio, ejus religio " ("jedem Land seine Religion"): Es wurde vereinbart, dass die Fürsten die Konfession ihrer Untertanen wählen und alles tun, um die Einheitlichkeit der Religionen in ihren Ländern zu gewährleisten. Dieser Friede von Augsburg erklärt zum Teil die Aufteilung der Fürstentümer in katholische und protestantische Staaten im Norden: Die Fürsten Frankens nehmen alle den reformierten Glauben an. Nur die bischöflichen Fürstentümer (Würzburg, Bamberg) bleiben katholisch.

Die Feindseligkeiten werden 1618 mit der Verteidigung Prags wieder aufgenommen und führen zu einem 30 Jahre andauernden Krieg. Während dieser dreißig Jahre voller Kriege, Hungersnöte und Epidemien wurden die Gebiete des heutigen Bayerns abwechselnd von den protestantischen Schweden und den katholischen kaiserlichen Truppen verwüstet. Der Westfälische Frieden von 1648 beendete den Konflikt, änderte aber nichts Grundlegendes an der konfessionellen Landschaft in Bayern. Die Religionszugehörigkeit einer Stadt hatte erhebliche Auswirkungen auf ihr Überleben oder ihre Auslöschung.

Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurde die katholische Gegenreformation von den Wittelsbachern, die tief katholisch geblieben waren, energisch vorangetrieben. Herzog Albrecht V. (Albrecht) ermöglichte die Gründung von Jesuitenkollegs in Ingolstadt und München. Sein Sohn und Nachfolger Wilhelm V. (Wilhelm) ist ebenfalls ein wichtiger Akteur der Gegenreformation in Bayern. Um sein Engagement für die Bewahrung des Katholizismus zu demonstrieren, ließ er die große St. Michaelskirche in München errichten (siehe Michaelskirche).

Im Norden hingegen engagierten sich die protestantischen Fürsten Frankens für die Aufnahme der Hugenotten, die Frankreich nach der Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahr 1685 verlassen hatten. Christian-Ernest, der Markgraf von Brandenburg-Bayreuth, ergriff die Gelegenheit und ließ in Erlangen eine neue Stadt errichten, um diese Flüchtlinge aufzunehmen.

Zwischen 1802 und 1803 wurden die Besitztümer der katholischen Kirche säkularisiert: Der Besitz der Klöster wurde zugunsten des bayerischen Staates enteignet.

Das Christentum in Bayern heute

Die Christen machen heute 65,4 % der bayerischen Bevölkerung aus. Sie verteilen sich auf Katholiken (47,8 %) und Protestanten (17,6 %). Auch hier gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land. In der Diözese Passau macht die katholische Gemeinschaft 76 % der Bevölkerung aus. In München hingegen bezeichnen sich nur 46 % der Einwohner als katholisch. Im Jahr 2010 führten die Skandale um pädokriminelle Handlungen in der Kirche dazu, dass viele Deutsche den Schritt zum Kirchenaustritt wagten.

Die meisten Protestanten leben in Franken, im Norden des Bundeslandes. Über alle drei Regierungsbezirke (Oberfranken, Unterfranken, Mittelfranken) hinweg ist das Zahlenverhältnis zwischen Katholiken und Protestanten ziemlich ausgeglichen. Allerdings gibt es hier und da Unterschiede, die sich historisch erklären lassen: Die Gebiete im ehemaligen Einflussbereich der bischöflichen Fürstentümer Bamberg, Würzburg und Eichstätt sind heute fast per Definition katholisch. Dagegen sind alle ehemaligen Gebiete der Freien Städte und Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth bis heute lutherisch.

Katholische und protestantische Kirchen prägen die bayerische Landschaft mit ganz unterschiedlichen Architektursprachen. Den protestantischen Kirchen wird eine große Nüchternheit nachgesagt. Katholische Kirchen sind oft opulent, üppig und barock. Doch der Unterschied ist weitaus grundlegender als nur ästhetisch und architektonisch. Zunächst einmal erkennen die Protestanten die Autorität des Papstes nicht an. Für Luther war das Studium der Bibel - " Sola Scriptura " - viel wichtiger als die Dogmen, die von der kirchlichen Institution festgelegt wurden. Im Gegensatz zu den Katholiken missbilligen Protestanten die Verehrung von Heiligen. Ein weiterer großer Unterschied besteht in der Ordination von Priestern und Pastoren. Bei den Protestanten können Frauen alle Ämter bekleiden. Im November 2021 wurde mit Annette Kurschus eine Frau zur Leiterin der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) ernannt. Während die Kirche von Rom weiterhin am Zölibat der Priester festhält, haben die deutschen Pfarrer schon lange Familien gegründet.

Am 19. April 2005 wurde in Rom ein Bayer zum Papst gewählt. Der sehr konservative Joseph Ratzinger, 1927 in Marktl in Oberbayern geboren, war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising, bevor er 1993 zum Kardinalbischof befördert wurde. Im Jahr 2005 wurde er unter dem Namen Benedikt XVI. der 265. Papst der katholischen Kirche. Seit dem 16. Jahrhundert hatte es keinen deutschen Papst mehr gegeben!

Einige bayerische Besonderheiten: Feiern und Pilgern

Fronleichnam, dasFronleichnamsfest, wird an einem Donnerstag im Frühsommer nach dem ersten Sonntag nach Pfingsten gefeiert. Es ist eine große Veranstaltung, bei der die Katholiken ihre Häuser mit Birkenzweigen schmücken und die Fahnen herausholen. In den Straßen werden vier Altäre aufgestellt, die mit Blumen bedeckt werden. Es gibt eine große Prozession, bei der der Priester oder Bischof unter einem Baldachin, der von mehreren Männern getragen wird, eine goldene Monstranz mit einer Hostie hochhält. An der Prozession nehmen auch Ministranten und andere katholische Organisationen teil. Fonleichnam ist in Bayern, wie auch in anderen Bundesländern mit mehrheitlich katholischer Bevölkerung, ein gesetzlicher Feiertag.

Oberammergau ist eine kleine Stadt im Süden Bayerns. Sie ist dafür bekannt, alle zehn Jahre ein großes Schauspiel zu veranstalten, das die Geschichte der Passion nachzeichnet. Zwei junge Männer aus Oberammergau werden ausgewählt, um auf der Bühne abwechselnd Jesus zu verkörpern. Etwa die Hälfte der Einwohner der Stadt - Christen und Nichtchristen - sind an der Vorbereitung dieser Amateuraufführung beteiligt, die Tausende von Neugierigen aus der ganzen Welt anzieht. Anderthalb Jahre lang lassen sich alle Männer der Stadt einen Bart wachsen, um die Galiläer der Antike originalgetreu verkörpern zu können.

In Bayern gibt es mehrere Wallfahrtsorte, aber unter allen sticht einer besonders hervor: Altötting. Er ist der bekannteste und meistbesuchte aller bayerischen Wallfahrtsorte. Die Schwarze Madonna in der Gnadenkapelle zieht jedes Jahr über eine Million Pilger an.

Das Kreuz und Bayern

Im Juni 2018 will der bayerische Ministerpräsident Markus Söder das "historische und kulturelle" Image Bayerns, wie er sagt, aufpolieren, indem er allen öffentlichen Gebäuden vorschreibt, ihre Eingangshallen mit einem Kruzifix zu schmücken. Der von der Regierung verabschiedete Erlass betrifft etwa 1100 Institutionen, darunter Museen, Schulen, Theater oder auch Rathäuser. Der laut CSU "beste Weg", um den Aufstieg der Rechtspopulisten zu verhindern, wurde stark debattiert und sorgte für Zähneknirschen... Es ist zwar bekannt, dass Söder ein Kreuz in der Münchner Staatskanzlei anbringen ließ, aber es ist nicht klar, ob die Maßnahme überall umgesetzt wird.

Judentum und Islam in Bayern

In Bayern gibt es noch einige Synagogen, die - zumindest teilweise - den Zerstörungen von 1938 entgangen sind. Sie zeugen noch heute vom jüdischen Leben und der jüdischen Kultur in Bayern vor der Schoa: Dazu gehören die Synagogen in Ansbach und Augsburg. In München ist die jüdische Kultur heute am lebendigsten. In den 1990er Jahren brachte die Einwanderung vieler jüdischer Russen, die die UdSSR und ihre Satellitenrepubliken verlassen hatten, der Münchner Gemeinde neues Leben ein. Im Zentrum der Stadt gibt es zwei Gebäude, die dies belegen: die neue, ultramoderne Ohel-Jakob-Synagoge und, gleich daneben, das Jüdische Museum München. München plant derzeit den Bau einer zweiten, liberaler ausgerichteten Synagoge, die von Stararchitekt Daniel Libeskind entworfen werden soll. Die bayerischen Juden sind heute immer noch eine sehr kleine Minderheit: 1990 gab es in Bayern eine Gemeinde mit 5.500 Mitgliedern. Im Jahr 2019 werden es 18.000 sein.

Der Islam hingegen gewinnt in Bayern zunehmend an Bedeutung, vor allem in den Großstädten. In München gibt es mehrere Moscheen, auch wenn derzeit ein repräsentatives Gebäude fehlt, dessen Architektur das Stadtbild prägt. Zwei Moscheebauten in München werden derzeit geprüft. Eine Studie des Bundesinnenministeriums schätzt den Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung Bayerns im Jahr 2008 auf etwa 4 %.