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Louis und Therese

Die ganze Geschichte des Oktoberfests beginnt mit einer Hochzeit. Im Jahr 1810, natürlich im Oktober, wird in München die Hochzeit von Therese und Ludwig gefeiert. Sie ist Sächsin, er ist Bayer. Sie ist protestantisch, er ist katholisch. Sie ist die Tochter des Herzogs von Sachsen-Hildburghausen und er ist Kronprinz von Bayern. Am 12. Oktober heiraten sie in der Kapelle der Residenz in München. Ab dem 13. versetzt eine Reihe von Feierlichkeiten - die meisten davon öffentlich und kostenlos - die bayerische Hauptstadt in ein fröhliches Treiben: Opern, Theaterstücke, Bälle und viele andere Veranstaltungen. Am 17. Oktober findet vor den Toren der Stadt ein großes Pferderennen statt. Zu Ehren der Braut wird das Gelände in Theresienwiese (wörtlich: " Theresienwiese ") umbenannt. Es wird eine Tribüne für 40.000 Zuschauer errichtet und Caterer werden beauftragt, für Essen und Getränke zu sorgen. Es ist schwer vorstellbar, dass im Jahr 1810 kostenlos Bier ausgeschenkt wurde, wenn man bedenkt, wie viel ein Bierkrug heute kostet. Die Veranstaltung war so erfolgreich, dass man beschloss, sie im nächsten Jahr zu wiederholen. Das Oktoberfest war geboren.

Der unaufhaltsame Aufstieg des Oktoberfests

Mehr als 200 Jahre später sind die Pferderennen verschwunden. Die Prinzen sind verschwunden. Jetzt ist der Kunde König. Und das Oktoberfest beginnt immer noch im September, aber eine Änderung des Namens kommt nicht in Frage. Jahrhundert ist das Fest beliebter denn je und zieht Besucher aus allen Teilen der Welt an: Während 72 % Bayern sind, kommen 9 % aus dem restlichen Deutschland und 19 % aus dem Ausland. Insgesamt sind es zwischen 6 und 7 Millionen Menschen, die das Oktoberfest besuchen.

Die Vorbereitung des Festes bindet derzeit 8000 Personen, die ganzjährig für die Logistik angestellt sind. Hinzu kommen 4.000 Personen, die zeitweise auf der Theresienwiese arbeiten.

Der Rausch des Festes

Das Oktoberfest ist ein großes Volksfest, das größte der Welt, eine Art gigantischer Jahrmarkt, der mit Superlativen nur so um sich wirft. Auf einer Fläche von 31 Hektar drängen sich etwa 30 Zelte, die alle von den großen Münchner Brauereien hervorragend ausgestattet sind, mit allem Komfort: Strom, fließendes Wasser. Die Brauereien überbieten sich gegenseitig in ihrem Einfallsreichtum, um ihre Zelte noch schöner und einladender zu gestalten. Der Aufbau der Zelte beginnt sechs Wochen vor Beginn der Feierlichkeiten, und es dauert gut vier Wochen, sie wieder abzubauen! Insgesamt gibt es auf der Theresienwiese etwa 114 000 Sitzplätze, die die Besuchermassen aufnehmen. Zu den verschiedenen Zelten kommen noch die Orte, die für die Unterhaltung bestimmt sind, und die aufregenden Attraktionen hinzu: Karussells, Rutschen, Skyfall, Looping, etc. Das Riesenrad (Riesenrad) ist ein fester Bestandteil des Bildes vom Oktoberfest. Mit 80 dieser sensationellen Fahrgeschäfte kann das Oktoberfest mit den größten Vergnügungsparks konkurrieren.

Das Oktoberfest ist ein Geldsegen. Die Einnahmen belaufen sich im Durchschnitt auf eine Milliarde Euro. Gut die Hälfte davon geht an die Stadt München, die eine Gebühr für die Vermietung der Plätze erhebt. Um auf die Superlative zurückzukommen: Der Preis für einen Bierkrug erreichte 2019 den Rekordpreis von 10,80 € und konnte in einigen Zelten bis zu 11,80 € betragen.

Rituale

Das Oktoberfest besteht aus Ritualen, die die Feststimmung über die Jahrhunderte hinweg aufrechterhalten.

Am ersten Samstag des Oktoberfests ist es der triumphale Einzug der Schankwirte und Bierbrauer auf der Theresienwiese. An der Spitze des Zuges steht ein Pferd, auf dem eine Frau in einem großen schwarz-gelben Umhang sitzt, der an die Kleidung eines Mönchs erinnert. Sie verkörpert das Münchner Kindl und wer das Wappen der Stadt kennt, wird den Bezug erkannt haben. Ebenfalls an der Spitze der Parade fährt der Münchner Oberbürgermeister in einem Fiaker auf die Theresienwiese ein. Seit den 1950er Jahren obliegt dem Münchner Oberbürgermeister die große Verantwortung, das erste Bierfass um 12 Uhr mittags anzustechen. Mehrere kleine Hammerschläge sind nötig, um die ersten Tropfen Bier herauszupressen. Wenn dies geschehen ist, erklärt der Bürgermeister "O'zapf is" (Standarddeutsch für "es ist angezapft"). Auf diese feste Formel folgt immer ein donnernder Applaus. Traditionell geht der erste Bierkrug an den bayerischen Ministerpräsidenten. Es wird angestoßen und das Oktoberfest kann endlich beginnen.

Am nächsten Tag, dem ersten Sonntag des Oktoberfests, findet der traditionelle Trachtenumzug(der Trachten- und Schützenzug) statt. Gegen 10 Uhr beginnt der Umzug in der Maximilianstraße und führt durch die gesamte Innenstadt zur Theresienwiese. Viele Münchner drängen sich auf den Straßen, um den Umzug der rund 8000 Teilnehmer zu beobachten. Dies ist gewissermaßen das bayerische Pendant zur großen Parade der keltischen Nationen beim Festival interceltique in Lorient: Es gibt Musiker, Fahnenträger und alle tragen traditionelle Kleidung.

Das Oktoberfest hat seine Nationalhymne: Ein Prosit der Gemütlichkeit ist ein symbolträchtiges Stück des Oktoberfestes und viele kennen den Text auswendig. Musik ist absolut untrennbar mit dem Oktoberfest verbunden:Blasmusikkapellen sind überall zu sehen und Musik ist allgegenwärtig.

Tracht

Was wäre das Oktoberfest ohne die Fülle an Trachten auf der Theresienwiese? Zwar werden Jeansträger von den Türstehern am Eingang nicht abgewiesen, aber nur wenige trauen sich, eine Jeans zu tragen. Die große Mehrheit der Männer trägt die Lederhose und die Frauen das Dirndl. Um ehrlich zu sein, haben Lederhose und Jeans mehr gemeinsam, als man denkt. Beide wurden Ende des 19. Jahrhunderts von Männern aus Bayern entworfen. Die Lederhose soll 1883 in Bayrisch Zell entstanden sein. Die Jeans, die 1873 patentiert wurde, ist eine Erfindung von Levi Strauss, der im bayerischen Buttenheim geboren wurde! Die Lederhose ist eine sehr strapazierfähige Unterhose aus Haut. Viele denken, dass sie nicht gewaschen werden kann, dass sie traditionell ein Arbeitsgewand ist, das im Laufe der Jahre dicker und härter werden muss, aber nach einigen Spritzern Bier und Tomatensoße spürt der Träger der Lederhose manchmal die Notwendigkeit einer kleinen Reinigung. Man geht mit der Bürste drüber und schrubbt kräftig ...

Die Lederhose kennt einige Accessoires: Man kann Hosenträger aus Leder und ein Charivari tragen: Das ist eine kleine silberne Kette, an der kleine Münzen oder Wildschweinzähne hängen. Männer tragen das Charivari am Gürtel ihrer Lederhose. Frauen tragen es an der Schürze ihres Dirndls. Das Nonplusultra, wenn man eine kurze Lederhose trägt (bei der die Knie sichtbar sind), ist das Anziehen von Loferln. Loferl (oder Stutzen) sind aus Wolle, aber keine Socken: Sie umschließen nur das Schienbein und die Wade und lassen die Knöchel sichtbar. Um ganz im Trend zu liegen, lassen Sie die Turnschuhe an der Garderobe und tragen echte Schuhe, die Haferlschuhe.

Frauen ziehen das Dirndl an, ein Kleid mit Schürze, das oft mit einer Bluse oder einem Wollhemd getragen wird. Der Gürtel des Dirndls informiert über den Familienstand seiner Trägerin: Ist die Schnalle links, ist Madame ledig, ist sie rechts, ist sie es nicht. Eine hinten liegende Schnalle weist auf eine Witwe hin. Und die vorne in der Mitte getragene Locke bedeutet "Das geht dich nichts an!". Die meisten der beliebtesten Frisuren sind geflochten, was auch für kurze oder lange Haare geeignet ist. Es gibt mehrere mögliche Arten, seinen Zopf zu tragen: Der Fischgrätenzopf kann über der Schulter getragen werden, aber man kann auch einen Kranz daraus machen. Manche tragen auch Accessoires oder Blumen dazu.

Bier und Blut auf Netflix

Welches andere Fest kann von sich behaupten, Künstler so zu inspirieren, wie es das Oktoberfest tut? Bereits 1932 ließ der deutschsprachige Autor Ödön von Horváth sein Theaterstück Kasimir & Karoline vor der Kulisse Münchens während der Finanzkrise 1929 spielen, mitten auf dem Oktoberfest. Im Jahr 2020 stellt Netflix das Oktoberfest in den Mittelpunkt einer 6-teiligen Serie mit dem Titel Oktoberfest 1900, die im Englischen unter dem Titel Oktoberfest: Beer & Blood bekannt ist. Die Serie versetzt uns in eine Münchner Stadt im Fin de Siècle-Ambiente mit gepflegten Kostümen und recht gelungenen Hintergründen. Obwohl die Serie weder durch ihre Handlung noch durch ihre Umsetzung glänzt (etwas zu viele entbehrliche Spezialeffekte), fesselt sie den Zuschauer durch die Atmosphäre, die sie so gut wie möglich zu schaffen vermag. Man lernt zwielichtige und zynische Brauer kennen, die alles tun würden, um ein Zelt auf der berühmten Theresienwiese zu bekommen. Man hat der Serie vorgeworfen, das Image des Oktoberfests zu beschädigen, aber es bräuchte viel mehr, um einem Fest zu schaden, das jedes Jahr Millionen von Menschen zusammenbringt.