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Am Anfang war die runde Hütte von Gihanga

Traditionell wurde in Ruanda das Fundament eines Hauses gelegt, indem man mit einer Schnur, die an einem zentralen Pfahl befestigt war, einen Kreis zeichnete. Einige Legenden besagen, dass der Held Gihanga, der mythische Gründer des Landes, der Urheber dieser Kreisform war. Tatsächlich soll der Kreis die Reise darstellen, die Gihanga um Ruanda herum unternahm, und jeder Familienbau sollte sich an diesem ursprünglichen Epos orientieren. Wie dem auch sei, diese runden Behausungen waren jahrhundertelang die Norm im ganzen Land.

Die Hütten wurden aus natürlichen Materialien gebaut und bestanden aus einem bis zum Boden reichenden Strohdach, das von einem zentralen Pfeiler getragen wurde, sowie aus Lehm- und Erdwänden. Anstatt kompakt in einem Dorf zusammengefasst zu sein, waren die Behausungen über die Hügel verstreut, wobei jeder Hügel die Mitglieder einer bestimmten Blutlinie versammelte. Jede Hütte war von Land umgeben, das als Plantage, Arbeitsraum für Handwerker oder als Viehweide diente. Die Gehege wurden nach denselben kreisförmigen Plänen errichtet, wobei sich die Kreise manchmal durchdrangen. Bei den einfachen Leuten gab es eine einzige Hütte ohne Gehege, während die Reichen mehrere Hütten hatten (z. B. eine für die Küche, eine für die Kinder, eine für Besucher usw.). Heute gibt es diese Behausungen in einigen Teilen des Landes immer noch, obwohl die Jahrzehnte der Kolonialisierung und die Modernisierung des Landes ihre ursprüngliche Form verändert haben.

Koloniale Einflüsse

In den 1890er Jahren waren die Deutschen die ersten, die Ruanda besiedelten und unterschiedliche architektonische Praktiken mitbrachten. Das erste deutsche Gebäude, das Haus des Vertreters Richard Kandt in Nyarugenge, war ein einfaches Haus mit Ziegelwänden und einem mit Aluminiumblechen gedeckten Dach. Als innovatives Gebäude inspirierte es viele Ruander beim Bau ihrer Verandas.

Am Ende des Ersten Weltkriegs vertrieben die Belgier die Deutschen und übernahmen die Macht in Ruanda. Sie bauten zahlreiche katholische Kirchen, führten die Verwendung von Ziegelsteinen ein und errichteten in Nyanza einen neuen Palast für den König (neben dem alten Palast, der als Kanon der Volksarchitektur des Landes gilt). Das Zentralgefängnis in Kigali, das heute als Museum dient, ist ebenfalls eine Hinterlassenschaft dieser Zeit. Doch obwohl die Kolonialisierung Ruandas das Land tiefgreifend veränderte, blieb der belgische architektonische Einfluss dagegen sehr moderat.

So führten die kolonialen Einflüsse zu einer langsamen Umgestaltung der einheimischen Wohnhäuser, die zu einer wahren Mischung aus verschiedenen Stilen und Materialien wurden. Heute sind die Strohdächer durch Blech-, Ziegel- oder Betondächer ersetzt worden und die Häuser sind eher rechteckig als kreisförmig.

Ruandas architektonische Erneuerung

Ruanda wird manchmal als das "Singapur Afrikas" bezeichnet, eine Parallele, die seltsam zutreffend klingt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine neue Art von Architektur, die sehr westlich und modern war. Vor allem in der Hauptstadt Kigali kann man diesen Wandel beobachten. Das Paradebeispiel dafür ist der Kigali City Tower, ein beeindruckender Wolkenkratzer aus Glas und Stahl, der sich auf seinem Höhepunkt wie ein Segel krümmt. Das Ausmaß, in dem sich das urbane Gesicht Kigalis in den letzten zwei Jahrzehnten verändert hat, ist außergewöhnlich. Die Entwicklung der Hauptstadt erfolgte jedoch zufällig und spontan, ohne umfassende Stadtplanung. Um der Hauptstadt Kohärenz zu verleihen, beauftragte die ruandische Regierung daher 2009 zwei ausländische Architekturbüros damit, einen Masterplan für die Stadt zu entwerfen. Der Plan zielte darauf ab, bestehende Stadtteile zu erweitern sowie neue zu entwerfen und Gebiete für Tourismus und Freizeit zu schaffen.

Darüber hinaus ist Kigali in jüngster Zeit zum Epizentrum der afrikanischen Architekturerneuerung geworden, da 2016 und 2018 zwei prestigeträchtige Schulen gegründet wurden. Zum einen das African Design Centre, das auch als "Bauhaus Afrikas" bezeichnet wird. Dieses Forschungszentrum bringt Kreative aus ganz Afrika zusammen, um umweltfreundliche und sozial engagierte Bauprojekte zu entwickeln. Zwei Jahre später öffnete in der Hauptstadt eine 5.600m2 große Schule für Architektur und Design ihre Türen. Die Dorfschule, die 2017 von dem Straßburger Architekten Patrick Schweitzer unterzeichnet wurde, umfasst ein Dutzend kleiner, ockerfarbener Gebäude, die miteinander verbunden sind. Die Gebäude verbinden traditionelle und moderne Architektur, wurden aus lokalen Materialien gebaut und ökologisch durchdacht. So gibt es beispielsweise ein natürliches Belüftungssystem, um Klimaanlagen zu vermeiden, und das Regenwasser wird gesammelt. Was ihre Formen betrifft, so erinnern sie sowohl an die Hügel des Landes als auch an eine Ansammlung traditioneller Hütten.

Diese Schulen zeigen, dass Städtebau und Architektur in Kigali auf dem Vormarsch sind, aber auch im Rest Ruandas gibt es zahlreiche Gebäude, die die Besucher überraschen und faszinieren werden. Zum Beispiel das Bildungszentrum in Nyanza zwischen Kigali und Butare, das 2010 von dem Architekturbüro Dominikus Stark gebaut wurde, oder der von Sharon Davis 2015 in Rwinkwavu entworfene Krankenhaus-Wohnkomplex, dessen Wände aus Eukalyptus-Paravents bestehen. Bemerkenswert ist auch das Cricketstadion in Ruanda, das 2017 von Light Earth Designs entworfen wurde und mit drei miteinander verbundenen Parabolgewölben verziert ist, die die Flugbahn eines aufspringenden Balles genau nachahmen und an die hügelige Topographie Ruandas erinnern. Schließlich sind auch Projekte, die Klima- und Gesundheitsfragen berücksichtigen, im Trend, da der zukünftige internationale Flughafen Bugesera, der sich 2023 noch im Bau befindet, das Label "Green Airport" erhalten soll und Ruanda eine Vorreiterrolle beim Einsatz von Drohnen für den Transport von medizinischem Material in entlegene Regionen Ostafrikas eingenommen hat.